Der 11. September ist in den USA kein staatlicher Feiertag. Aber selbstverständlich ist der Jahrestag der Anschläge von 2001 kein Tag wie jeder andere. Im ganzen Land finden heute Trauerfeiern im Gedenken an die ca. 3,000 Todesopfer statt.
Ungeachtet aller Zweifel an den verbreiteten Wahrheiten über die Ereignisse vom 11. September 2001 möchte ich hierzu allein Bilder sprechen lassen.
— The 12th Anniversary of the 9/11 terrorist attacks —
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Obwohl 9/11 wie gesagt kein offizieller Feiertag ist, steht es beispielsweise den Professoren an meiner Uni frei, an diesem Tag keine Veranstaltungen abzuhalten, und ggf. Ersatztermine anzubieten. Dieser flexible Ansatz hat mich dazu gebracht, mal generell über meine bisherigen Erfahrungen mit Feiertagen in den USA nachzugrübeln.
Im Gegensatz zum 11. September ist hier jedes Jahr der erste Montag im September ein public holiday — und zwar der labor day. Das ist das nordamerikanische Äquivalent zum ersten Mai, auch bekannt als Tag der Arbeit. Was die Äußerlichkeiten angeht, fiel mir auf, dass hier niemand auf der Straße rumrennt und wahllos Ladenlokale/öffentliche Plätze/andere Leute/Polizisten mit Steinen bewirft. Auch Maibäume habe ich keine gesichtet. Der Hintergedanke für den Feiertag ist aber glaube ich derselbe: man nimmt sich am labor day ne Auszeit, um in aller Ruhe die working class zu ehren und deren soziale Errungenschaften zu würdigen.
So weit, so gut.
Warum hatte ich dann also am letzten Montag, den 2. September 2013, nicht frei? An einem echten Feiertag sollten doch an sich keine universitären Veranstaltungen sein, schließlich gehören auch Universitätsprofessoren zur arbeitenden Klasse im weiteren Sinne. Ganz zu schweigen von den “gewöhnlichen” Universitätsangestellten wie der Pförtnerin und dem Putzmann.
Der Grund dafür sind natürlich die lieben Jura-Studenten. Bekanntermaßen verlangen viele Law Schools in den USA ein Schweinegeld von ihren Studenten. Die tuition liegt gerne mal bei $ 50,000 pro Jahr, sodass das traditionell dreijährige Jurastudium — Lebenshaltungs- und Luxuskosten mit eingerechnet — durchaus über eine Viertelmillion Dollar verschlingen kann.
Da möchte man natürlich auch was haben für sein Geld. Feiertage widersprechen diametral dem nachvollziehbaren Anspruch der angehenden Juristen auf eine lückenlose Ausbildung. Was macht man also, damit man auch an den Tagen, an denen ansonsten niemand zur Arbeit geht, den bezahlten Unterricht empfangen kann? Richtig, der Jurastudent klagt. Gegen den Unterrichtsausfall. Das wäre ja noch schöner, wenn einem die teuer bezahlte Leistung nur wegen so eines popeligen Feiertags vorenthalten bliebe.
Unglücklicherweise sind solche Klagen ab und an auch noch erfolgreich — die urteilenden Richter scheinen großes Verständnis zu haben –, und damit es auch nicht zu Ungleichbehandlungen unter den Studenten verschiedener Fakultäten kommt, fällt der Unterrichtsausfall ganz aus.
Soviel zum Schicksal des labor day. Das ist natürlich alles reine Spekulation, aber ich würde ein Bud Light drauf setzen, dass ich hiermit relativ nah an der Wirklichkeit dran bin.
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Weniger spekulativ kann ich von einem anderen großartigen Feiertag berichten. Genau genommen ist es nicht nur ein Tag, sondern das ganze erste Wochenende im August: der sales tax holiday, besser bekannt als tax-free weekend.
Von Freitag, den 2. August, um 0:01 Uhr, bis Sonntag, 4. August, 23:59 Uhr, hieß es in ganz Tennessee: Einkaufen bis der Arzt kommt, und der Staat kriegt nix ab. Das dachte ich zumindest. Also bin ich los, um mir ein Telefon zu kaufen. Ein neues Mobiltelefon war sowieso nötig, weil bei meinem alten die Tasten 3, 6 und 9 schon vor einiger Zeit den Geist aufgegeben hatten, und das, was ich mir von meiner lieben Schwester als Ersatz geliehen hatte, fing nach einer Woche in Amerika an, wahlweise leere Nachrichten an diverse Leute aus dem Adressbuch zu schicken oder sich nach Lust und Laune abzuschalten.
Also machte ich mich am steuerfreien Samstag auf zum Einkaufszentrum, um im Fachhandel ein neues schlaues Mobiltelefon zu ergattern. Erwartungsgemäß hatte sich, als ich gegen elf Uhr vormittags beim Spezialgeschäft eintraf, ein beträchtliche Schlange gebildet. Nachdem ich ca. 20 Minuten angestanden hatte, kamen zwei uniformierte Ladenangestellte heraus, um unter den wartenden Besuchern Wasserflaschen zu verteilen — und um zu fragen, ob man beabsichtige, entweder einen stationären Rechner, ein Notebook, oder einen Tablet-Computer zu kaufen. Ich wollte nichts davon. Vielleicht steh ich hier ganz umsonst, dachte ich mir. Also fragte ich nach, ob ich denn auch für ein Mobiltelefon in der Schlange warten müsste. “Nein,” war die Antwort. Natürlich nicht. Wieso nicht? Na weil die Mobiltelefone eben nicht steuerfrei sind. Trotz tax-free weekend.
Der sales tax holiday ist also offensichtlich erklärungsbedürftig. Von der Mehrwertsteuer sind an diesem Wochenende nur solche Gegenstände befreit, die Studenten oder Familien für ihre Kinder für die Uni oder die Schule brauchen. Laptops und Tablets werden im Klassenzimmer und im Vorlesungssaal benötigt – Mobiltelefone nicht, sie sind sogar tendenziell unerwünscht. Der Sinn und Zweck des sales tax holiday ist es, dass sich die armen Studenten (s.o.) und weniger gut betuchte Familien für das kommende Schuljahr bzw. akademische Jahr eindecken können. Deswegen liegt der Feiertag auch Anfang August. Und deshalb sind neben Laptops und Tablets auch Kleidungsstücke von der sales tax ausgenommen — aber nur dann, wenn der Computer nicht mehr als $ 1,500 bzw. das einzelne Kleidungsstück nicht mehr als $ 100 kostet. Wer für ein Paar Jeans oder Schuhe mehr als $ 100 ausgibt, hat die steuerliche Entlastung nicht nötig. Das leuchtet ein. Schließlich sind dann noch so archaische Gegenstände wie Radiergummis, Kreide und Lineale — bis $ 100 pro Einzelteil — steuerfrei erwerblich.
Da ich mit dem Erwerb des Mobiltelefons – ich hab es dann natürlich trotz und mit Steuer gekauft – so unglücklich ins tax-free weekend gestartet war, hab ich mir zum Ausgleich noch vier paar Jeans, eine kurze Hose und ne Jacke gekauft. Fazit: auch wenn die sales tax in Tennessee unterhalb von 10 Prozent liegt – es macht schon Spaß mal ohne staatlichen Durchgriff in den eigenen Geldbeutel einzukaufen.
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Wie krieg ich jetzt wieder die Kurve zum 11. September, sodass sich der narrative Kreis schließt? Genau, mit Bildern: